Unser wissenschaftliches Selbstverständnis
Das IFGK hat sich einen Orientierungsrahmen zum wissenschaftlichen Selbstverständnis geben.
Friedensthematik
Unser zentrales Anliegen ist der Frieden in einem umfassenden oder ‚positiven’ Sinn (J. Galtung): Unser Engagement leitet sich ursprünglich hauptsächlich aus dem Entsetzen darüber her – und speist sich nach wie vor daraus -, dass demokratische wie nichtdemokratische Staatsführungen in Verfolgung ihrer Ziele Genozide und kollektiven Selbstmord, ja die Vernichtung der Menschheit und des Lebens auf der Erde in Kauf nehmen wollen und effektiv vorbereiten. Wir sind uns deutlich bewusst, dass die staatlich organisierte und gesellschaftlich sanktionierte physische Gewalt(bereitschaft) aufs engste verknüpft ist mit der bestehenden ungerechten Weltwirtschaftsordnung, mit der Verweigerung von Freiheit und Selbstbestimmung für einzelne, Gruppen, Klassen und Völker und mit der Ausbeutung und Zerstörung der nichtmenschlichen Natur. Unser Engagement gegen die direkte Gewalt erfordert daher ein ergänzendes Engagement gegen deren Wurzeln und Auswirkungen.
Konfliktbezug
Wir sind getrieben von einer tiefen Sehnsucht nach dauerhaften, strukturellen Lösungen der damit angesprochenen Konflikte und Probleme oder zumindest von der Hoffnung auf eine Annäherung an solche Lösungen. Es geht uns nicht um einen utopischen Zustand konfliktfreier Harmonie. Da Konflikte lebensnotwendig immer neu entstehen, kann unser Ziel ‚nur’ ein bestimmter Modus der Konfliktbearbeitung sein. Er unterscheidet sich von Konfliktverleugnung, von der Vermeidung der Auseinandersetzung um unvereinbare Weltdeutungen oder Handlungswünsche und -vorstellungen kaum weniger als von rücksichtslosen und daher letztendlich gewaltsamen Durchsetzungsversuchen. Er besteht in der Erarbeitung selbsttragender Konfliktlösungen. Darunter verstehen wir von den Konfliktparteien selbst, einvernehmlich, zur Zufriedenheit aller Betroffenen erreichte Lösungen, die auch mit einer Verbesserung ihrer Beziehung(en) einher gehen sollten. Die politisch-kulturelle Verankerung eines solchen Konfliktbearbeitungs-Modus ist unsere konkrete Utopie.
Wissenschaftlichkeit
Unsere Beiträge zur Erarbeitung selbsttragender Konfliktlösungen sollen bei aller Wertorientierung wissenschaftlicher Natur sein. Das beinhaltet ein klares Rollenverständnis. Sieht man in einem Konflikt ein Spannungsverhältnis zwischen (zumindest zwei) sozialen Akteuren derart, dass diese sich der wechselseitigen Unvereinbarkeit ihrer Handlungswünsche und -vorstellungen bewusst sind und diese dennoch zu erreichen bzw. durchzuführen versuchen, so können wir in einem konkreten zu analysierenden Fall als Wissenschaftler kaum gleichzeitig Konfliktpartei sein. Auch dürfte die Analytiker-Rolle klar von der Vermittler-Rolle zu trennen sein; die Kriterien gelingender Arbeit sind jeweils ganz andere.
Parteilichkeit
Trotz aller Wissenschaftlichkeit wollen und werden wir aufgrund unserer Zielvorstellung selbsttragender Konfliktlösungen parteilich sein. Einvernehmliche, selbsttragende Konfliktlösungen kann es nur geben, wo die Konfliktparteien in einem annähernden Machtgleichgewicht stehen. Angesichts immenser, sozusagen steingewordener Machtasymmetrien in zahlreichen einschlägigen Konfliktfeldern muss daher unsere Arbeit die ‚Anleitung zum Mächtigsein’ der Machtlosen (S.D. Alinsky) zum vorgeordneten Ziel haben.
Prinzipielle Gewaltfreiheit
Andererseits haben selbsttragende Konfliktlösungen wechselseitige Respektierung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Konfliktpartner zur Grundvoraussetzung. Insofern ist diese Parteilichkeit unbedingt zu ergänzen durch eine prinzipielle Festlegung auf gewaltfreie Methoden der Konfliktbearbeitung. Wohlbegründete Zweifel bezüglich der ethischen Rechtfertigbarkeit jedweder Form von verletzender und tötender Gewalt und die systematisierbare und durch aktuelle Ereignisse immer wieder belegbare historische Erfahrung, dass Gewalt in aller Regel wie ein Bumerang wirkt und sich zum Selbstzweck entwickelt, lassen uns Gewaltfreiheit als striktes Orientierungsprinzip erscheinen.
Pragmatismus
Was unsere wissenschaftliche Orientierung im engeren Sinn betrifft, d.h. unsere theoretisch-methodologische Orientierung, so bevorzugen wir eine pragmatische Perspektive. Wesentliches Kriterium für die Qualität einer Methode oder theoretischen Konzeption soll deren Produktivität im Hinblick auf gewaltfreie Konfliktlösungen sein. Insbesondere schweben uns eine Integration von nomologischem und interpretativem sozialwissenschaftlichem Paradigma und der Einbezug des Handlungsforschungsansatzes vor.
Kritische und konstruktive, eigeninitiative und konsultative Arbeit
Praxisorientierte Forschung zu Möglichkeiten gewaltfreier Konfliktaustragung bedeutet für uns auch, dass wir uns kritisch mit den angesprochenen gewaltträchtigen Methoden der Konfliktbearbeitung auseinandersetzen. In konstruktiver Hinsicht wollen wir sowohl in Eigeninitiative analytisch und evaluativ tätig werden als auch konsultativ, d.h. auf Anfragen von außen, sofern diese ein grundlegendes Interesse an gewaltfreier Konfliktbearbeitung erkennen lassen.